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Lesben und Trans* und Nationalsozialismus: Stolpersteine

„Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir verlegt. Inzwischen liegen STOLPERSTEINE in über 480 Orten Deutschlands, ebenso in Österreich, Ungarn und in den Niederlanden.“
https://www.stolpersteine.com/





Alice Ascher (Hamburg)



Margot Doctor (Hamburg)


Anna Eismann (Hamburg)


Elli Smula (Berlin)





Stolpersteine im Braamkamp 36, Hamburg-Nord, Winterhude


Alice Ascher, geb. am 16.8.1880 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt
Margot Doctor, geb. am 4.5.1897 in Leobschütz/Schlesien, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt
Emilie Ascher, geb. Blumenfeld, geb. 20.8.1858 in Burgsteinfurt/Westfalen, Tod am 19.7.1942 in Hamburg (Suizid)


Alice Ascher, die Tochter von Emilie Ascher und ihrem Mann Gustav Joachim, wuchs mit ihren beiden jüngeren Brüdern in der Sierichstraße 18 auf, blieb unverheiratet und war als Privatsekretärin des Bankiers Max Warburg am Ballindamm tätig. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Margot Doctor wohnte sie in den 1930er Jahren im ersten Stock des Hauses Braamkamp 36. Dort lebte auch ihre Mutter Emilie.

Wann Margot Doctor aus ihrem schlesischen Geburtsort nach Hamburg kam, wissen wir nicht. Die Angaben auf ihrer Kultussteuerkarte sind spärlich. Als ihr Vater wird Ary Doctor (ohne Geburtsdatum) genannt, als ihr Beruf "Angestellte". Sie erklärte 1928 ihren Austritt aus der Gemeinde, 1940 wurde sie zwangsweise Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes.

Alice Ascher war 1926 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, erklärte aber im April 1939 ihren Wiedereintritt. Zu dieser Zeit arbeitete sie im Sekretariat Warburg im Mittelweg 17. Dort sollten Vermögenswerte abgewickelt werden, die nach der "Arisierung" der Bank M. M. Warburg von der Nachfolgefirma nicht übernommen worden waren. Darüber hinaus entfaltete das Sekretariat aber auch karitative und kulturelle Aktivitäten für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die zunehmend aus dem allgemeinen öffentlichen Leben ausgeschlossen waren (s. a. Mayer, Marie u. Heinrich). So fanden in dieser "Oase" bis 1941 Konzerte und Vortragsabende statt. Sehr beliebt war auch die gut ausgestattete Bibliothek, die ihren Besuchern im Winter einen ungewöhnlich gut geheizten Aufenthalt bot. Im Frühjahr 1941 waren die Abwicklungsarbeiten des Bankhauses M. M. Warburg fast abgeschlossen, und das Haus am Mittelweg wurde von der NSDAP beschlagnahmt. Die Reste des Sekretariats wurden in einem wesentlich kleineren Haus an der Alsterterrasse untergebracht. Alice Ascher und ihre Kollegin "Frl." Baruch konnten jetzt nur noch umschichtig jeweils eine halbe Woche arbeiten, weil der Platz nicht für beide reichte. Im Juni 1941 wurde das Sekretariat endgültig geschlossen.

Im Januar 1940 hatte Alice Ascher noch ein Vermögen von 13.300 Reichsmark besessen. Dieses wurde am 29. Januar 1940 unter Sicherungsanordnung gestellt. Für den Lebensunterhalt, Miete, Unterstützung ihrer Mutter und Ausgaben für eine Hausangestellte hatte Alice Ascher einen monatlichen Freibetrag von 557 Reichsmark beantragt, zugestanden wurden ihr von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten 325 Reichsmark.

Nach der Erinnerung eines Freundes der Familie Ascher hatte sich Max Warburg für die Auswanderung von Alice Ascher eingesetzt und ihr ein "Affidavit" besorgt, d. h. die Bürgschaft eines amerikanischen Bürgers. Sie blieb jedoch in Hamburg, weil es unmöglich war, auch ein Affidavit für ihre Lebensgefährtin Margot Doctor zu erhalten.
Nach Eingang des Deportationsbefehls erhielt Alice Ascher die Genehmigung, noch einmal 400 Mark von ihrem eigenen Geld abheben zu dürfen, laut Antrag "für Ausgaben im Zusammenhang mit meiner Evaquierung" und als Geschenk für "Frl. Margot Sara Doctor, Braamkamp 36: Reisegeld u. Anschaffg."
Am 6. Dezember 1941 folgten Alice Ascher und Margot Doctor dem Deportationsbefehl nach Riga. Wann und wie sie dort ums Leben gekommen sind, wissen wir nicht.


Stolpersteine Emilie und Alice Ascher © Kima Danowski 2010

Emilie Ascher war mit dem Fabrikanten Gustav Joachim Ascher verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder: Alice, Felix Daniel (geb. 27.3.1883) und Richard (geb. 18.10.1888). Die Familie lebte in der Sierichstraße 18. Emilie Ascher muss über ein eigenes Einkommen verfügt haben, denn von 1913–23 und ab 1932–40 zahlte sie Beiträge an die jüdische Gemeinde Hamburg. Wann ihr Mann, der seit 1911 Mitglied der Patriotischen Gesellschaft gewesen war, starb, ist nicht bekannt.


Als Witwe lebte sie in den 1930er Jahren im ersten Stock des Hauses Braamkamp 36. In der gleichen Etage, vielleicht auch in der gleichen Wohnung, lebte ihre Tochter Alice mit ihrer Partnerin Margot Doctor.


Stolperstein Margot Doctor © Kima Danowski 2010

Emilies Sohn Felix hatte 1902 sein Abitur am Wilhelm-Gymnasium abgelegt. Er machte sich einen Namen als Architekt, unter anderem entwarf er gemeinsam mit Robert Friedmann die 1931 eingeweihte Synagoge des liberalen jüdischen Tempelverbands in der Oberstraße 116. Aus seiner Ehe mit Anna Karoline von Gizycki, verwitwete Hinrichsen, stammten keine gemeinsamen Kinder, seine Frau brachte aber drei Kinder in die Verbindung mit. 1938 wanderte Felix Ascher nach England aus, hatte allerdings Schwierigkeiten, sich dort in seinem Beruf zu etablieren. Dr. Richard Ascher, von Beruf Chemiker, konnte ebenfalls nach England emigrieren.


Am 6. Dezember 1941 musste Emilie Ascher die Deportation ihrer Tochter Alice nach Riga erleben. Anschließend wurde sie zwangsweise aus ihrer Wohnung am Braamkamp in das jüdische Altersheim Kurzer Kamp 6 in Fuhlsbüttel eingewiesen, das zu dieser Zeit als "Judenhaus" diente. Am 19. Juli 1942 setzte sie ihrem Leben ein Ende.




© Ulrike Sparr (Hamburg)


Quellen: 1; 4; 8; AfW 270383; Bundesarchiv Berlin, R 1509, Ergänzungskarten für Angaben über Abstammung (Volkszählung v. 17.5.1939), Wohnortliste Hamburg; Forschungsstelle f. Zeitgeschichte, Werkstatt d. Erinnerung 007, Interview mit Herrn K. H., 1990; dito, telefonisch mitgeteilte Ergänzungen von Herrn K.H.; StaHH 622-1/173 Plaut A 5, A6; StaHH 314-15 OFP R 1940/6; Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 3, Hamburg 1989; Volkwin Marg, Gudrun Fleher, Architektur in Hamburg seit 1900, Hamburg, 1983, Nr. 87; Marlis Roß, Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder 1935, Die Patriotische Gesellschaft im Nationalsozialismus, Hamburg, 2007; Wilhelm Gymnasium 1881–1956, Hamburg 1956, S. 115f.



Stolperstein für Anna Eismann: Peterstraße 28 (frühere Peterstraße 66), Hamburg, Neustadt
Anna Eismann (1903-1942)

Anna Eismann, genannt Hustedt, geb. 24. Mai 1903 in Bremen, arbeitete als Prostituierte ("Kontrollmädchen"). Sie kam am 5. Oktober 1942 im KZ Auschwitz zu Tode.


Im Jahr 1937 verband sie mit der Arbeiterin Anna Diebenkorn, geb. am 29. April 1902 in Thodendorf, ein „’lesbische[s] Verhältnis’“. Anna Diebenkorn starb am 24. April 1982 in Hamburg.


Quelle: Rosenkranz, Bernhard/Bollmann, Ulf/Lorenz, Gottfried: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919-1969. Hamburg: Lambda 2009, S. 181f.; 209.
Stolperstein für Anna Eismann © Kima Danowski 2009




Stolperstein für Elli Smula: gegenüber von der Singerstr. 120 (ehemalige Blumenstr. 92, Berlin-Mitte
Elli Smula (1914-1943)

Elli Smula, Jg. 1914, verhaftet am 12.9.1940, Gefängnis Alexanderplatz, 1940 Ravensbrück, ermordet 8.7.1943.
Die Berliner Straßenbahnschaffnerin Elli Smula wurde 1940 als lesbisch denunziert, verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert, wo sie 1943 ermordet wurde.


Stolperstein für Elli Smula © Magda Albrecht 2015

Externer Link zu Elli Smula:

https://www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/7460



Externe links zur Stolpersteinverlegung:

Blog-Eintrag von Magda auf der Mädchenmannschaft
https://maedchenmannschaft.net/tag/nationalsozialismus/

Der Tagesspiegel online
www.tagesspiegel.de/berlin/queerspiegel/verfolgung-homosexueller-durch-die-nazis-stolperstein-fuer-lesbische-bvg-schaffnerin-tod-im-kz/12591574.html