„Man gebe dem Homosexualen, was ihm gehört: seinen vollen Menschheitsrang!“ –
Der Feministin, Sozialdemokratin und Heilpraktikerin Johanna Elberskirchen (1864-1943) zum 150. Geburtstag
Johanna Elberskirchen (1864-1943) war Publizistin, Heilpraktikerin und Kämpferin für die
Rechte von Arbeiter_innen, Frauen und Homosexuellen. In Bonn wirkte sie in der
Sozialdemokratie und in Frauenstimmrechtsvereinen. Außerdem veröffentlichte sie
herausfordernd zu Feminismus, Medizin und Sexualreform. Anlässlich ihres 150. Geburtstags
am 11. April erinnert ein Wochenende mit einem Stadtrundgang, fünf Vorträgen und einem
Werkstattgespräch zu Frauenbiografieforschung an die streitbare Aktivistin. Neben Beiträgen
zu ihrem Leben und Werk rücken weitere Publizistinnen, Weggefährtinnen und
Frauenbewegungen um 1900 in den Blick.
Die Bonner Veranstaltungen wurden im Rahmen der Hirschfeld-Tage 2014 NRW von der
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld sowie von der ARCUS-Stiftung aus Mitteln der
Landeszentrale für politische Bildung NRW finanziert und fanden mit freundlicher Unterstützung des
DGB-Kreisverbandes Bonn/Rhein-Sieg, der KulturKneipe Brotfabrik sowie des Portals
www.lesbengeschichte.de statt.
Alle Interessierten waren zu allen Veranstaltungen herzlich eingeladen.
Der Eintritt war frei.
Stadtrundgang:
Wirkungskreise von Johanna Elberskirchen und Mitstreiterinnen in Bonn
Die selbstbewusste Frauen- und Homosexuellenrechtlerin Johanna Elberskirchen (1864-
1943) verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Bonn und kehrte nach einigen Studienjahren mit
ihrer Lebensgefährtin Anna Eysoldt (1868-1913) für ein paar Jahre an den Rhein zurück, wo
sie provokant zu Homosexualität publizierte und leidenschaftlich für ein demokratisches
Wahlrecht stritt. Der Stadtrundgang folgt ihren Spuren in der Bonner Innenstadt, lässt
Johanna Elberskirchen selbst zu Wort kommen und beleuchtet sowohl ihre hiesigen
Zeitgenossinnen als auch einen Teil Bonner Stadtgeschichte.
Referentin: Ingeborg Boxhammer M. A., Bonn
(am 4. April 2014 mit Start an Johanna Elberskirchens Geburtshaus in der Sternstraße 37)
Begrüßung und Eröffnungsvortrag mit der Elberskirchen-Biografin:
Johanna Elberskirchen (1864-1943) – eine feurige Feministin und Cross-over-Aktivistin
aus Bonn
Johanna Elberskirchen kämpfte für die Befreiung von Frauen, ArbeiterInnen, Lesben und
Schwulen. Tochter aus „gutem Hause” war sie nicht – eine soziale Hürde, die sie jedoch
lässig nahm: neben ihrer Lohnarbeit setzte sie Schulbildung und ein Frauenstudium im
Ausland für sich durch. Als Rednerin, Aktivistin und Schriftstellerin war ihre schärfste Waffe
das Wort: Polemisch und provokant sind ihre Schriften, modern ihre Überlegungen, die auf
Freiheit, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit zielen. 1943 gestorben, wurde sie erst
1975 unter mysteriösen Umständen beigesetzt. – Bekanntes & Neues in einer Hommage für
die eigensinnige Feministin.
Referentin: Dr. Christiane Leidinger, Berlin
(am 4. April 2014 im Bonner DGB-Haus)
Politik, Porno und Protest um 1900 –
Die zwiespältigen homosexuellen-emanzipatorischen Vorkämpferinnen Trosse,
Elberskirchen und Sprüngli/„Rüling“
Sie waren wohl die ersten drei des Dritten Geschlechts. Um 1900 leisteten Johanna Elberskirchen (1864-1943), Theo Anna Sprüngli (1880-1953, Pseudonym: Anna/Th. Rüling)
und Emma Trosse (1863-1949) wichtige Beiträge zur homosexuellen Emanzipation. Die
provokative und innovative Kraft ihrer Werke schließt sogar die Beschreibung
lesbischsexueller Höhepunkte ein. Befragt man die Schriften und Lebensläufe jedoch nach
Positionen zu Klassenherrschaft, „Eugenik“/„Rassenhygiene“ und Kolonialismus, werden
problematische politische Widersprüche deutlich. – Ein Vortrag mit vielen Bildern, Zitaten
und Musikbeispielen.
Referentin: Dr. Christiane Leidinger, Berlin
(am 5. April 2014 im Bonner DGB-Haus; auch 6. März 2014 im Berliner Frauenzentrum Schokoladenfabrik und am 7. April 2014 in der Rosa Strippe in Bochum)
Camouflage und Aktivismus: Auf den Spuren Toni Schwabes (1877-1951)
Knapp 20 Jahre vor Anna Elisabeth Weirauchs Erzählung „Der Skorpion“ veröffentlichte
Toni Schwabe 1902 den Roman „Die Hochzeit der Esther Franzenius“. Gezeigt werden soll,
inwiefern dieser als einer der ersten Texte deutschsprachiger lesbischer Literatur gelten kann.
Über die Autorin ist bis heute wenig bekannt, so dass mit der literarischen auch eine
biographische Spurensuche einhergeht. Noch vor Johanna Elberskirchen engagierte Schwabe
sich im wissenschaftlich-humanitären Komitee, ähnlich wie diese sympathisierte sie mit
einzelnen Zielen der bürgerlichen Frauenbewegung. Als historische Persönlichkeit ist Toni
Schwabe erst noch zu entdecken.
Referentin: Jenny Bauer M. A., Kassel/Göttingen
(am 5. April 2014 im Bonner DGB-Haus)
Zahnkunst, Wahlrecht, Vegetarismus:
Margarete Herz (1872-1947) und Helene Wolff (1871-1917)
Die Dentistinnen Margarete Herz (1872-1947) und Helene Wolff (1871-1917) waren 1909
Gründungsmitglieder des Bonner Frauenstimmrechtsvereins, in dem sie zusammen mit
Johanna Elberskirchen aktiv waren. Die Lebensentwürfe des neu entdeckten Frauenpaares
zielten auf wirtschaftliche und persönliche Unabhängigkeit, auf demokratisches Wahlrecht
und gesunde Lebensführung. Helene Wolff verstarb 1917 in Mehlem (Bonn); Margarete Herz
zog weiter, musste jedoch wegen ihrer jüdischen Herkunft 1938 in die USA emigrieren, wo
sie 1947 verstarb. – Mit vielen Fotos, die von ihren Verwandten zur Verfügung gestellt
wurden.
Referentin: Ingeborg Boxhammer M. A., Bonn
(am 5. April 2014 im Bonner DGB-Haus)
„Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“ –
Der Frauenstimmrechtskampf um 1900 bis zum Ersten Weltkrieg
Der Kampf für das Frauenstimmrecht wurde um 1900 sehr heftig geführt. Die
Stimmrechtsbewegung mobilisierte viele Frauen (und auch Männer), die im Wahlrecht eine
demokratische Notwendigkeit und einen wichtigen Schritt zur Frauenemanzipation und
Gleichberechtigung sahen. So bildete sich im Kaiserreich ein dichtes Vereins- und
Personennetz, das die politische Aufklärung vorantrieb, Aktionen und Proteste organisierte
und eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit betrieb. Auch Johanna Elberskirchen gehörte dieser Bewegung an. Im Vortrag wird die Stimmrechtsbewegung nachgezeichnet und eine
lokale Spurensuche in Bonn versucht.
Referentin: Apl. Prof. Dr. Ulla Wischermann, Goethe-Universität Frankfurt am Main
(am 6. April 2014 in der KulturKneipe Brotfabrik)
Werkstattgespräch:
Historisch-politische Frauenbiografien um 1900 – oder was Sie schon immer zu
Biografieforschung wissen wollten...
Wie werden Biografien von Frauen erforscht? Wie können Lebensgeschichten auch lesbischer
oder „lesbenähnlich“ lebender Frauen rekonstruiert werden? Welche Quellen gibt es? Und
welche Hürden müssen überwunden werden? Das Werkstattgespräch eröffnet nach deren
kurzen Inputs die Möglichkeit, die Referentinnen zwanglos nach Erfahrungen, Erfolgen,
Anekdoten wie auch Pleiten, Pech und Pannen zu fragen und so biografische Spurensuche
nachzuvollziehen; wissenschaftliches Arbeiten wird auf diese Weise transparent und lebendig.
Referentinnen:
Jenny Bauer M. A., Kassel/Göttingen
Ingeborg Boxhammer M. A., Bonn
Dr. Christiane Leidinger, Berlin
Apl. Prof. Dr. Ulla Wischermann, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Moderation: Lena Laps, Bochum
(am 6. April 2014 in der KulturKneipe Brotfabrik)